Depression

Depression: Am Anfang war die Müdigkeit

Hausgemachte Probleme:
Von der Schwierigkeit gegen die eigenen Lebensregeln zu handeln – auch wenn es richtig wäre.

Natürlich kann ich NEIN sagen, aber wenn mich mein Gegenüber von der Wichtigkeit seines Wunsches überzeugt, dann kriegt er mich…
So wächst der Berg der Aufgaben, über den du irgendwann nicht mehr drüber schauen kannst und gleichzeitig wächst das schlechte Gewisssen.
Da kommen dann auch die Ansprüche, Regeln und Glaubenssätze um die Ecke, die man so hat:

Zuverlässigkeit ist wichtig:   Was ich verspreche, will ich halten.
Selbstwert:                                  Ich muss Leistung bringen, damit ich wahrgenommen werde.
Ich muss funktionieren.
Vertraue nur dir selbst:         Ich darf keine Schwäche zeigen, die wird ausgenutzt.

Meine Arbeitstage wurden dementsprechend immer länger;
die Themen verfolgten mich nach Hause;
ich schlief immer schlechter.
Mein Privatleben oder irgend ein Ausgleich fand im Prinzip nicht mehr statt.
Anvertraut habe ich mich niemandem, um mir keine Blöße zu geben.
Und auch daheim das schlechte Gewissen, wenn ich sah, was alles nicht fertig wurde:

  • da wären mal wieder die Fenster zu putzen
  • ich muss noch ein Geschenk besorgen
  • ich wollte mal wieder ins Schwimmbad und ins Kino
  • ich wollte mich schon längst wieder mit dieser oder jenem treffen
  • da wäre noch eine Feier zu organisieren, der Urlaub zu planen
  • da wären noch Probleme in der Familie zu klären

Ich wollte doch, ich würde doch gern, da wäre noch … Die Liste schien endlos.
Aber es ging nicht. Die Erholung vom Wochenende hielt immer weniger vor.
Spätestens donnerstags ging eigentlich schon nix mehr.
Morgens stand ich müder auf, als ich nachts zu Bett gegangen war.

Kopfschmerzen, Verspannungen, Müdigkeit waren meine ständigen Begleiter.

Es fiel mir immer schwerer mich zu konzentrieren, mir etwas zu merken, „alle Bälle in der Luft zu halten“.
Ich wurde immer reizbarer und dünnhäutiger, hatte immer mehr das Gefühl auf ganzer Linie zu versagen.
Irgendwann kommen die ersten Gedanken: „Du brauchst eine Auszeit.“
Dicht gefolgt von „Das geht nicht. Du wirst gebraucht. Stell dich nicht so an. Bisher ging es doch auch!“
Und beschwichtigend „Bald ist Urlaub, bis dahin schaffe ich das schon noch.“
Kopfkino vom feinsten.

Aber was soll ich dir sagen? Der Urlaub hat auch nix rausgerissen. Ich war schon zu tief in diesem Loch, als dass zwei Wochen Ferien irgendetwas grundsätzlich repariert hätten.

Zum Chef gehen und sagen, ich hab zu viel auf dem Tisch? Ja, ich hab’s gemacht.
Antwort: „Sag öfter nein und delegiere einfach besser.“  Okayyyyy?????
Nein, geholfen hat mir das nicht.

Jede noch so kleine Entscheidung war mir zu viel.

Willst du zum Frühstück Toast oder Brötchen? Tränenausbruch … lasst mich doch alle in Ruhe… macht irgend was.

Irgendwann wollte ich kündigen.
Panikattacke bei meinem Mann: Das kannst du doch nicht machen…denk an deine Rente…was soll denn werden…dann können wir unser Haus ja gleich verkaufen…geh doch mal zum Arzt.

Da wurde mir das erste Mal bewusst, dass ich wohl viel zu lange, die Starke und Toughe gegeben habe. Er war einfach nur fassungslos und hat meine Not überhaupt nicht erkannt.
Sein Vorschlag mit dem Arzt verursachte mir nur Schulterzucken.

Was soll mir ein Arzt erzählen, was ich nicht schon weiß?
Ich bin MÜDE und ausgelaugt-

Aber o.k. als Kompromiss und als Zeichen meines guten Willens bin ich zum Hausarzt getigert.
Der hat mich gleich erst mal für vier Wochen aus dem Verkehr gezogen und mir meine ersten Antidepressiva verschrieben.
Aha? Also war die Idee vielleicht doch ganz gut?
Was soll ich dir sagen? Diese 4 Wochen habe ich fast ausschließlich schlafend im Bett verbracht.
Danach bin ich freudestrahlend wieder zur Arbeit … für 2 Wochen, dann war ich wieder platt.
Also wieder zum Doc, wieder 2 Wochen krankgeschrieben und Überweisung zum Neurologen/Psychologen.
Die Psychologin verschrieb mir andere Antidepressiva, weil die erste Sorte mich noch müder machte…und meinte, ich solle mir doch einen Psychotherapeuten suchen. Eine Liste der Therapeuten in der Umgebung bekam ich mit, 3 A4-Seiten mit Namen und Telefonnummern. Aber die Therapeutensuche (bis heute erfolglos) ist eine andere Geschichte.

Die Hoffnung auf die schnelle Lösung – Fehlanzeige

Tatsache ist, dass ich das Pingpong – krankgeschrieben > vermeintlich ausgeruht > wieder arbeiten und bums wieder krank – ein paar Mal gespielt habe,
ehe ich endgültig begriffen hab.: Nee du! So wird das nix!

Job weg – und nun?

Genau genommen war es gut, dass mein Chef dann mit dem Aufhebungsvertrag winkte.
Ja, klar kann man da in die Selbstmitleidsecke verschwinden und trauern. Schließlich hab ich meinen Job gut und gerne gemacht.
Aber ich habe mich bewusst gegen diese Sicht entschieden und sage lieber:

Wer mich nicht will, hat mich nicht verdient.
Jetzt nehme ich mir die Zeit, wieder fit zu werden
und dann fang ich mit etwas Neuem an.

Ich habe geschrieben, am Anfang war die Müdigkeit.
Wirklich?
Heute weiß ich, das ging schon Jahre früher los mit Migräne und Bluthochdruck!
Mein Körper hat schon viel länger Alarm geschlagen, nur ich hab’s nicht verstanden.

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