Um deine Depression in den Griff zu bekommen, wirst du dich viel mit dir und deinem Umfeld beschäftigen.
Das Beschäftigen mit dir selbst ist vielleicht ungewohnt für dich, weil es nach Egoismus oder Egozentrik klingt und damit negativ belegt ist.
Lass dich davon nicht beirren.
Es ist nichts Schlechtes daran, sich selbst zu kennen, sondern überlebenswichtig und zwar für jeden.
In der Reha-Nachsorge gab es zu diesem Selbstfindungsprozess eine Idee, die das Ganze für dich veranschaulichen helfen kann.
Hauptziel ist dabei,
die positiven Aspekte in deinem Leben zu entdecken und zu stärken,
aber auch
deine Baustellen zu finden, zu wichten und nach und nach anzugehen.
Meine folgende Anleitung kannst du nutzen, um den inneren Tempel für dich aufzumalen, zu visualisieren oder auch darüber zu meditieren.
Bevor du das aber tust, hier noch drei wichtige Hinweise:
1. Bitte benutze diese Methode erst, wenn du dich einigermaßen stabil fühlst.
Wenn du grad im tiefen Keller sitzt, dann siehst du an dir und deinem Umfeld wahrscheinlich nur, was nicht in Ordnung ist und das bringt dich nicht weiter, sondern kettet dich im Keller an.
In der Reha-Nachsorge haben einige Mitpatienten diese Methode verweigert, weil sie nicht in der Situation waren, an sich und ihrer Lebenssituation positives zu entdecken. Das ist völlig in Ordnung und kein Zeichen der Schwäche, eher im Gegenteil ein Beweis, dass sie sich gut einschätzen können.
Wenn es dir grad auch so geht, dann lass die Finger von dieser Methode, denn dann bewirkt sie das Gegenteil von dem, was du benötigst.
2. Sprich über das Ergebnis mit einer Vertrauensperson. Wenn du die derzeit nicht hast, dann vergiss diese Methode ganz schnell wieder! Sonst kommst du wegen deiner entdeckten „Baustellen“ wieder in eine Abwärtsspirale, das wäre kontraproduktiv.
3. Diese Methode gibt eine Momentaufnahme über dich, deine Befindlichkeiten, dein Umfeld.
In der Reha-Nachsorge wurde uns empfohlen, dieses „Bild“ immer mal wieder zu machen und dann zu schauen, was sich wie verändert.
Da ist nichts für immer und ewig festgeschrieben.
Aber das „Sich-Selbst-Bewusst-Machen“
- was alles gut an dir oder in deinem Leben ist, woran du dich also aufbauen und festhalten kannst
- wo Baustellen sind, an welchen du schon arbeitest
- wo Baustellen sind, die du noch angehen willst, wo du selbst etwas tun oder vielleicht Hilfe bekommen kannst
- was richtig im Argen ist und dir unlösbar erscheint
und das alles genau in dieser Reihenfolge (!) ist letztlich der Weg raus aus der Depression.
Der innere Tempel


Stell dir vor, dass deine Identität, dein Lebensgefühl, dein Glück, deine innere Ruhe, dein Selbstwert, eben all das, was dich als Person ausmacht, wie Dachziegeln das Dach eines Tempels bilden.
Definiere für dich deine Eigenschaften als Dachziegeln.
In welchem Zustand sind sie?
- Welche glänzen in der Sonne?
- Welche sind bemoost und sollten mal wieder deine Beachtung und Pflege erfahren?
- Wo musst du vielleicht ein Loch im Dach reparieren?
Anm.: Auch du hast sicher 2,3 Eigenschaften, die im allgemeinen Verständnis eher negativ belegt sind. Beschumele dich nicht selbst! Auch sie sind Dachziegel und auch sie können dich in der einen oder anderen Situation weiter bringen.
Es geht hier nicht um die Bewertung durch deine Umwelt, oder gar ob du ein „guter“ oder „schlechter“ Mensch bist, sondern nur um dich und das was dich aus deiner persönlichen Sicht ausmacht.
Denk ein bissel über das Ergebnis nach … sprich mit deiner Vertrauensperson darüber.
Nun ist das tollste Dach sinnlos ohne Unterbau.
Ein Tempel steht auf Säulen…
Zur Krise kann es kommen, wenn eine oder mehrere Säulen „wegbrechen“ oder sich plötzlich stark verändern und die anderen Säulen das Dach, also deine Identität, nicht ausreichend stabilisieren können.
Klassisch werden 5 Typen von Säulenreihen genannt:
- „Du“ – dein Körper, deine körperliche Gesundheit und Fitness, deine Psyche, dein Aussehen …
- dein soziales Netzwerk, dein Umfeld – Partner, Familie, Freunde, Sportkameraden, Tiere … Wer genau wirkt positiv in deinem Leben? Wer eher nicht? Warum? Wie erträglich ist das?
- Arbeitswelt – deine Arbeit, deine Leistungen, die Anerkennung dafür, dein Verhältnis zu den Arbeitskollegen, den Vorgesetzten
- materielle Sicherheit, Lebensumfeld – Sind deine grundsätzlichen materiellen Lebensbedürfnisse gesichert? Was hast du darüber hinaus, was dich glücklich macht?
Was fehlt? Gibt es überflüssiges, was dich womöglich eher belastet? Wie ist dein Wohnumfeld? - Werte und Normen, Religion, Glauben, Wissen – die dich ausmachen, die dein Handeln leiten. Wo kommen sie her? Stärken sie dich? Sind sie stabil? Sollte das eine oder andere hinterfragt werden?
Welche Säulen tragen dein Dach und in welchem Zustand sind sie?
- Sind sie groß und stark? Oder dünn und zerbrechlich?
- Womöglich baufällig? Innen hohl? Oder gar weggebrochen?
- Gibt es Säulen, die nach deinem Gefühl gerade jemand mit Hammer und Meißel bearbeitet und die daran kaputt gehen könnten? Wer? (du selbst womöglich?)
- Gibt es Säulen, um die gerade ein Baugerüst aufgebaut ist, an denen du also schon arbeitest? Wer sind deine Bauarbeiter, die dir da helfen (können)?
- Gibt es Säulen, die darauf warten, (wieder) aufgebaut zu werden?
- Gibt es Säulen, die zwar kaputt zu gehen drohen, was aber gar nicht schlimm ist, sondern eher eine Erleichterung?
- …
Finde deine eigenen Zustandsdefinitionen für deine Säulen. Das so entstandene Bild kann dir helfen, deine aktuelle Lebenssituation zu erkennen und Ziele und Maßnahmen für dich abzuleiten.
Sprich mit deiner Vertrauensperson darüber.
Hol dir Rat und Hilfe immer nur in dem Maße, wie du es haben willst.
Es ist dein Leben. Du willst und sollst es leben.
Geh die erkannten Problemstellen nach und nach an.